Archiv für den Monat: Oktober 2012

hélène

Weisst du, wie du erkennst, dass du mich nicht liebst?
Nein?
Dann lass mich dir davon berichten. Oder warte. Lieber doch nicht. Ich mag dir von der Liebe erzählen, ja das passt besser zu uns beiden.
Also setz dich hin, mach es dir bequem. Aber höre mir nicht zu. Lausche einfach meinen Worten. Denn du weisst auch so, was ich zu sagen dir gewillt. Nimm dir stattdessen deinen linken Arm vor, streiche mit den Fingern zwischen Elle und Hand. Gerade so knapp, dass du die Haut nicht berührst. Und fange an zu zählen. Schliesse deine Augen und fühle, wie die Härchen knistern. Wenn sie sich zu einer ungeraden Anzahl fügen, dann wirst du ein glückliches Leben haben, hat meine Grandmaman gesagt. Sie ist letzte Jahr gestorben und ich glaube ihr.

Wer weiss schon, was mit den Erinnerungen an jenen Tag im Juni passieren wird, die ich seither wie einen wohlbehüteten Hort mit mir herumtrage. Die Fischer des kleinen Küstenortes rissen den Donnerstag von den Kalenderbrett und machten sich auf, mit ihren vom Salz über die Jahre rau gegerbten Händen die Taue der Boote zu lösen, während die an Land gebliebenen Einwohner ihre Häuser für den anstehenden Nationalfeiertag mit Flaggen und Banderolen schmückten.
So fuhren auch wir hinaus und das Schicksal wollte es, dass ich mich in deiner Nähe befand, als du an der Reling standst. Ich hatte dich schon eine ganze Weile lang beobachtet und als du meinen Blick bemerktest, zogst du ein wenig daran, wie an einem Stück Garn. Und wurdest ganz schön dabei.
Ich bin ein selten vollkommenes Exemplar von Ungeschicktheit im Umgang mit Menschen, und insbesondere mit Mädchen. Ich bin im Sprechen besser als im Handeln und im Schreiben viel geschickter als im Reden. Und alles was ich schreibe hätt ich besser nur gedacht.
Soll ich deine schwarze Windjacke beschreiben, die sich gegen die Bö stemmte? Oder dein Halstuch, gestrickt aus weisser Wolle mit schwarz-rotem Ziermuster?
Ich erzählte dir freimütig, wie sehr mir deine Mütze gefällt, wo ich doch eigentlich deine Augen meinte. Und ich lobte deine Kamera und wagte gar, sie sachte zu berühren, wenn doch meine Aufmerksamkeit ausschliesslich deinen Haaren gehörte, die ich anzufassen nicht im Traum mich trauen würde. Ich versteckte mich hinter irgendwelchen Sprüchen, wie ich es immer tue, wenn ich nicht weiss, wie jemandem zu begegnen ist, den ich mag. Leere, unsinnige Worte, weil ich keinen Mut habe, auszusprechen, was ich wirklich fühle und denke. Und ich wage nicht, auf der Zunge zu fühlen und zu denken, weil mir immer scheint, es sei doch alles klar. Mir ist, als sei ich ein offenes Buch, in dem jedes Gegenüber nur zu lesen braucht. Aber offenbar ist es in Lettern geschrieben, die nur mir allein bekannt sind. Ich lerne sehen, hat mein guter Freund Malte einmal gesagt. Recht mag er haben, fürwahr. Aber auch das korrekte Lesen will gelernt sein. Die Frage ist dann bloss, ob ich mir die Mühe machen soll, allen Mädchen meine Sprache zu lesen beizubringen, oder ob es nicht einfacher wäre, wenn ich selbst, die Sprache der Mädchen verinnerlichen und darin zu schreiben beginnen würde?

Zum ersten Mal getroffen hab ich dich zwischen Stühlen und Bänken. Der Raum war voller unbekannter morgenmüder Menschen und die Renaissance-Täfelung dimmte die Worte des Professors. Du hast von Büchern berichtet und davon, wie sie im Angebot waren. Dabei konntest du nicht wissen, wie sehr ich Dinge mag, die zwischen Buchdeckel gebunden, und die Deckel an und für sich, und überhaupt. Ich habe ja gesagt und du hast gelächelt und dich gefreut. Die Woche darauf brachtest du mir Versprochenes vorbei. Ich war dankbar und das war es auch schon. Unscheinbar war diese unsere erste Begegnung, so wie es die meisten sind.
Ist es nicht eigenartig, wie unachtsam die Menschen ihresgleichen begegnen? Gleichgültig nehmen wir unseren Alltag hin, wo es doch genau diese Begegnungen sind, die man sich auf ewig einprägen müsste. Und später dann wissen sie nicht mehr, wann und wo genau ihre Beziehungen zu Freunden, Erzfeinden, Geliebten und Betrauerten ihren Lauf genommen haben. Ich wünschte, ich könnte die Menschen zwingen, sich zu achten auf sich selbst und ihr Umherum. Stattdessen ist es ihnen, wie es ihnen behagt, spielt keine Rolle, und wenn doch, erdenken sie sich eine Erzählung der Genese dessen, was ihnen doch angeblich so viel bedeutet.
Aber auch ich muss zugeben, dass mein Erinnern an unser erstes Zusammenkommen nicht die Schärfe trägt, welche ich von ihm wünschte. Ich frage mich, welch Kleid du damals getragen hast und entscheide mich, dich in einen Rock zu stecken. Knielang, mit Falten und Blumenmuster. Solch einen, wie du ihn häufig trägst, und in dem du so bezaubernd aussiehst. Es würde passen, ja. Aber wie dem auch sei, so gross ist die Rolle nicht, welche dein Äusseres in diesem Zusammenhang hier spielt. Was zählt ist, dass wir uns zwischen und wegen Büchern kennengelernt haben.

Serafina. Wie alle meine Mädchen trägst du diesen Namen. Ist es Zufall, Schicksal, oder einfach eine Laune unser aller Schöpfers? Ich weiss es nicht und will es ehrlich gesagt auch nicht wissen. Es ist mir vollkommen gleichgültig. Aber auffällig ist es trotzdem, dass alle, in die ich mich verliebe, ebendieses eine Merkmal teilen. Dabei mag ich den Namen nicht einmal besonders.
Se-ra-fi-na. Vier dissonante Silben, ohne Gefühl und Zärtlichkeit. Nein, ich mag den Namen nicht.
Ich will dich Hélène nennen. Das passt zu dir und beschreibt deine Schönheit, wie kein Maler es besser könnte.
Und plötzlich bist du ganz anders, wie ein völlig neuer Mensch. Als wärst du nicht mehr du selbst, sondern etwas, was jemand anderes geschaffen hat. Als wäre ich derjenige, der dich zu deiner selbst macht. Aber ist das nicht mit allen Liebenden so? Gestalten nicht alle Liebenden ihre Geliebten so, wie sie es Kraft ihrer Imagination vermögen? Ist es nicht das Ziel jeder aufrichtigen, uneingeschränkten Beziehung, unser gegenüber sosehr zu modellieren, wie es das Ideal der Liebe gebietet? Und dies alles mit dem einzigen Zweck, nämlich die Hoffnung, dass auch wir von unseren Geliebten zu deren Idealgestalt geformt werden.
Teuerste Hélène, für mich bist du perfekt. Ich stünde auf, riefe es in aller Lautstärke in die Welt hinaus, wenn es denn bloss so etwas wie eine Welt gäbe. Aber die Welt, die wir zu existieren glauben verleitet sind, existiert nur für uns alleine. Und sie ist brüchig wie Glas und durch lautes Schreien läuft sie Gefahr zu zerbersten. Wir sind also gut beraten, unsere Worte mit bedacht zu sprechen. Und am beständigsten ist immer noch die Welt, welche wir mit dem Stift auf Papier festhalten.
Also frage ich dich einfach direkt: Jetzt wo du weisst, wie ich dich in meiner Empfindung geschaffen, magst du mir nicht entgegnen, was ich dir bedeute?
Du schweigst.
Nein, du lachst. Lachst laut und doch fast unhörbar. Die Musik im Raum frisst die Gespräche der späten Stunde. Ich gebe auf und mich dem Rhythmus hin. Die Tanzfläche und ich drehen sich im Gegenuhrzeigersinn und in regelmässigen Abständen taucht dein Gesicht vor mir auf. Keine zwei Schritte voneinander weg. Du lächelst und bist so fröhlich, wie ich dich noch nie zuvor gesehen habe. Für einen Augenblick umfassen meine Hände deine Taille. Die Zeit hält an. Dreiundzwanzig, vierundzwanzig. Als gäbe es nichts Normaleres auf der Welt.
Du drehst dich noch lange in meinem Kopf, auch als wir bereits auf der Strasse stehen, wo es schon hell wird. Dabei hätte ich doch gerne dem Freitag Lebewohl gewünscht gehabt. Du bist müde und wir umarmen uns. Dann gehst du mit den anderen die Strasse hoch. Ich sehe dir noch ein wenig nach und lausche dem Geräusch, das deine Schuhe auf die Pflastersteine zeichnen.
Ich gehe am Meer entlang nach Hause. Unweit der neuen Oper setze ich mich auf einen Felsen am Ufer und schaue hinaus aufs Wasser. Die aufgehende Sonne spiegelt sich in Wasser und Fenster. Ich streife meine Armbanduhr ab und zertrümmere sie mit einem Stein. Ich schliesse die Augen. Und ich warte.

die entdeckung

An Tagen wie diesem konnte Thomas Werner nicht schnell genug nach Hause kommen. Draussen regnete es in Strömen und wie immer, wenn dies passierte, schien ihm, dass sich die Stimmung zwischen den Computern im Grossraumbüro dem trüben Wetter auf der Strasse anglich. Oder umgekehrt, was keinen grossen Unterschied machte.

Nicht, dass ihm die Arbeit als Versicherungsagent an sich besonders viel Spass bereitet hätte, aber an Regentagen fand er es doppelt so öde, stumpfsinnigen Kunden per Telefon zum hundertsten Mal das Formular E112 zu erklären und sie anschliessend auch gleich von den Vorzügen einer zusätzlichen Rechtsschutzversicherung zu überzeugen, welche sie, wenn er ehrlich war, zwar überhaupt nicht brauchten, aber dann schliesslich doch immer akzeptierten, weil die auswendiggelernten Standardsprüche bei alten Menschen ihre Wirkung nie verfehlten.

 

Nachdem er im Flur auf seine Vermieterin gestossen war, die sich wie immer nach seinem Wochenende erkundigt hatte, stampfte er mit den nassen Schuhe auf den Fussabtreter und steckte den Wohnungsschlüssel ins Schloss seiner Einzimmerwohnung.

Thomas stellte den tropfenden Schirm in die Ecke, die braune Ledermappe daneben und begab sich schnurstracks in die Küche. Hastig leerte er die halbe Tasse Kaffee, die vom Frühstück übriggeblieben war. Dann warf er einen Blick auf die Uhr, riss das vorderste Blatt vom Kalender ab und verliess, ohne sich umzuziehen, seine Wohnung.

Heute war Montag, da durfte er keine Zeit verlieren!

 

Der Regen fiel noch immer ohne Unterbruch, doch jetzt war die Luft angenehm rein und frisch. Gutgelaunt ging Thomas ohne Eile den Gleisen entlang bis zur Tramhaltestelle, wartete nur kurz auf die nächste Strassenbahn und fuhr die gewohnten drei Stationen Richtung Industrieviertel.

Als er sein Ziel erreichte, war der Besitzer gerade damit beschäftigt, das rostige Gitter vor dem Eingang hochzukurbeln.

Mit der üblichen Teilnahmslosigkeit erkundigte sich der Alte nach seinem Wohlbefinden und mit der ewig gleichen Mischung aus Höflichkeit und Gewohntheit liess sich Thomas auf das kurze Gespräch über die Nichtigkeiten des Alltags ein.

Sie hatten einander nicht viel zu sagen. Man kannte sich, und das reichte vollends.

Seit Jahrzehnten öffnete Jensens Antiquariat in der alten Lokhalle die Türen für seine handverlesenen Kunden.

Montag – Freitag

17.00 – 23.00

Bei Krankheit geschlossen.

stand auf einem Schild an der Tür.

Doch das stimmte nicht ganz.

Meistens war es eher 17.03, wegen dem Bus, und abends konnte es auch einmal später werden. Am Montag auf jeden Fall. Über die anderen Tage konnte Thomas nichts sagen. Er war immer nur am Montag da, wenn es neue Bücher gab.

Jensen sammelte jeweils an den Werktagen alle Bücher, die bei ihm abgegeben wurden, sortierte sie übers Wochenende, so dass sie bei Ladenöffnung geordnet in den Regalen standen.

So war es immer. Und so war es auch heute.

 

Nachdem ihr kurzes Gespräch geendet hatte, hängte Thomas seinen nassen Mantel an den Kleiderhaken, stellte den Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer und trat zwischen die Regale.

Sogleich stieg ihm der Geruch in die Nase, den er so sehr mochte. Der Geruch von altem Papier, getränkt in verschiedenste Sorten Druckerschwärze.

Im Grunde genommen war es ein wenig übertrieben, den Ort als Antiquariat zu bezeichnen. Vielmehr war die Halle des ehemaligen Lokomotivwerks, die an manchen Ecken noch immer schwach nach Schmierfett roch, eine Art Brockenhaus für Bücher.

Der Unterschied bestand hauptsächlich in der Grösse des Raumes, welcher natürlich die Stimmung merklich beeinflusste.  Während Antiquariate mit engen, dunklen Gängen und knarrenden Holzfussböden eine ganz eigene Atmosphäre hervorbrachten, waren es hier die Bücher allein, welche den Raum füllten. In langen Regalen standen Abertausende von Bänden in allen Grössen und Farben dicht beieinander und warteten auf ihre wissbegierigen Käufer.

Thomas liebte das erhabene Gefühl, welches er beim Gang durch die Halle verspürte. Ein Gefühl von Weisheit und Macht, ausgestrahlt vom gesammelten Wissen der Welt, welches nur darauf wartete, von den Besuchern entdeckt zu werden.

Manchmal kam es vor, dass er sich beim Durchlesen der Buchrücken mit einer Hand am Regal abstützte und dabei zufällig ein Buch berührte. Unbewusst tasteten seine Fingerkuppen das Leder ab, fuhren den Buchstaben nach, streichelten den Einband und wurden zurückgestreichelt. Da war es wieder, dieses wunderbare Gefühl von Eingebung und Genialität!

Und wenn er dann aufblickte, erkannte er, dass seine Finger ihn, ohne es zu wollen, zu einer Erstausgabe von Dantes Komödie oder einer Abschrift von Lessings Laokoon geführt hatten.

 

Für gewöhnlich fing er seinen Besuch in der Bibliothek – er bevorzugte diese Bezeichnung, denn auch hier wurden Bücher mitgenommen und zurückgebracht, mit dem einzigen Unterschied, dass die Personen die mitnahmen und die, welche Bücher brachten, nicht dieselben waren. Thomas mochte diesen Gedanken, auch wenn er vermutlich der einzige war, dem dies aufgefallen war.

Für gewöhnlich also fing er seinen Besuch in der Bibliothek stets auf derselben Route an. Zuerst das kleine Regal mit den gelben Reclamheftchen, die so billig waren, dass er alle Neuankömmlinge immer gleich aufkaufte, wenn er sie nicht bereits zu Hause hatte. Dann die Klassiker, geordnet nach Sprachen, zuerst die Italiener und Spanier, dann die Franzosen, Russen und Engländer, bis er schlussendlich die Wand mit den deutschen Autoren erreichte.

Die neuen Bücher erkannte er meistens auf den ersten Blick. Sorgfältig notierte er sich Titel und Autor in seinem Kopf und wog ab, ob es sich lohnte, das Exemplar aus dem Regal zu ziehen und seinen Wert zu prüfen.

Nach dieser ersten Runde wurde er innerlich ruhig und ging ohne Eile zwischen den Regalen umher – nicht nur bei der Literatur, sondern auch bei historischen, geographischen oder sonstigen Werken – und setzte seine Suche fort. Selbstverständlich war ihm klar, dass er kaum ein Buch finden würde, dass er nicht schon kannte. Doch er liess es sich nicht nehmen, von einem unerwarteten Fund zu träumen. Irgendeine unbekannte mittelalterliche Handschrift, eine seltene Originalausgabe, oder eine andere Rarität, die ihn mit einem Schlag berühmt machen würde.

In solchen Momenten dachte er an seinen Freund Ernst, mit dem er während dem Studium Tage und Wochen in den Archiven verbracht hatte. Ernst Jung war ebenfalls Wissenschaftler und erst kürzlich zum Professor für Slavistik an der hiesigen Universität berufen worden.

Ein Ruf, der, da war er sich sicher, genauso gut ihm selbst hätte gelten können, wenn er sich denn darum beworben hätte. Und wenn er nicht damals die Universität verlassen hätte, um seine eigenen, fundamental-autodidaktischen Studien zu betreiben.

Ja, er hatte die richtige Entscheidung getroffen und alle, die ihn kannten, würden dies bestätigen.

 

Heute aber kam Thomas gar nicht erst dazu, durch die Gänge zu schlendern. Gedankenversunken war er vor der Abteilung für neueste deutsche Literatur stehengeblieben.

War es nicht sonderbar?

Dass Schiller und Goethe dort drüben standen, war klar. Vor allem bei letzterem war es mehr als gerechtfertigt, dass seine Bücher in verstaubten Regalen vermoderten.

Aber wie stand es mit den erst vor wenigen Jahren verstorbenen, oder gar noch lebenden Autoren?

Er nahm einen dünnen Gedichtband von Karl Roderer in die Hand. Es handelte sich um das neuste Werk des jungen Mannes, der schon länger als Kandidat für den Literaturpreis der Akademie gehandelt wurde. Was hatte er Schlimmes getan, dass er hier gelandet war?

Denn so sehr Thomas diesen Ort auch mochte, es war ein Ort des Vergangenen und Vergessenen. Alle Ideen und Gedanken, die sich hier drängten, so gut und schön sie auch sein mochten, eines hatten sie alle gemeinsam. Sie waren alt und längst nicht mehr aktuell. Auch wenn sie eine spezielle Schönheit ausstrahlen, so war es doch der Reiz eines Toten, der sie umgab, und nicht mehr.

Welch erbärmlicher Gedanke, hier zu landen, abgestellt mit dem Zweck, vergessen zu werden!

 

Werner Thomas zog ein kleines schwarzes Buch aus dem Regal, das seine Aufmerksamkeit geweckt hatte, weil der Einband völlig frei von Buchstaben war.

Er schlug die erste Seite auf, um den Titel herauszusuchen. Nach kurzem Blättern schlug er die Decke entnervt zusammen.

Schon wieder eines dieser postmodernen Experimente! Ein erbärmlicher Versuch, die Abwesenheit eines Autors zu suggerieren!

Wenn es eine Gattung gab, die er aus tiefstem Innern hasste, dann war es das sinnlose Geschreibsel dieser selbsternannten Literaten, die an ein abgebrochenes Germanistikstudium zwei, drei Semester Psychologie anhängten, und dann die Welt mit handgeschriebenen Schwachsinn belästigten!

Erregt blätterte er im Buch. Kurzgeschichten! Auch das ein Beweis für die Unfähigkeit dieser pseudointellektuellen Poeten, die keine Geduld besassen, um ein längeres Werk zu schreiben, eine Geschichte, die mehr Aufwand verlangten, als eine im Suff verbrachte Nacht.

Aufs Geratewohl schlug er das Ende einer Erzählung auf und las den letzten Satz, wie er es immer tat, um die Qualität eines Textes zu beurteilen. Der Satz lautete: Er verliess die Halle, flog hinaus auf die Strasse, wo der Regen ihn aufnahm und nicht mehr hergab.

Vollkommener Blödsinn!

Auch das ein Anzeichen des endgültigen Sittenzerfalls der jungen Generation. Der letzte Satz eines Werkes ist immer der wichtigste! Er muss wirken wie eine Essenz, muss den Text zusammenfassen, ihn abschliessen und ihn gleichzeitig für die ganze Welt öffnen.
Und dann solcher Schund! Unbrauchbar!

Er wollte das Buch bereits zuklappen und im Regal versorgen, als ihn eine unerwartete Neugierde erfasste. Er musste sicherstellen, dass die Dilettanten nicht auch noch die letzte Regel der Kunst über Bord geworfen hatten. Er musste sich versichern, dass die Geschichte wenigstens einen Titel besass.

Hastig blätterte er die Seiten um und nach einigem Suchen fand er die Stelle.

Glück gehabt! Da war eine Überschrift.

Erleichtert überflog er die ersten Zeilen:

An Tagen wie diesem konnte Thomas Werner nicht schnell genug nach Hause kommen. Draussen regnete es in Strömen und wie immer, wenn dies passierte, schien ihm, …

Mitten im Satz geriet er ins Stocken. Er spürte wie ihm das Blut in den Kopf schoss und den Schweiss auf die Stirn trieb. Ungläubig las er die Stelle ein zweites Mal. Dann ein drittes und viertes, bis er sich vergewissert hatte, dass er sich nicht verlesen hatte.

Da überkam ihn ein Gefühl, welches er nie zuvor erlebt hatte. Er spürte wie sich alles von ihm entfernte und er statt dessen in das Buch hineingezogen wurde, das er in seinen Händen hielt.

Entsetzt warf er das Buch zu Boden und rannte zum Ausgang. Mantel und Schirm vergass er in der Ecke. Einfach nur nach draussen!

Er verliess die Halle, flog hinaus auf die Strasse, wo der Regen ihn aufnahm und nicht mehr hergab.

am schalter

Ein wenig verdutzt lehnte sich Andrea über die Theke und starrte auf die Frau, die ihr soeben erklärt hatte, dass ihr Vater nicht existieren würde.
– wie, er existiert nicht? das muss ein missverständnis sein.
– nicht, dass ich wüsste, antwortete die Beamtin lächelnd, für gewöhnlich unterlaufen uns nie irgendwelche fehler. aber ich kann gerne nochmals nachschauen, wenn sie dies wünschen sollten.
– ja bitte, das sollte ich, sagte Andrea mit einem Hauch von Sarkasmus, während sie mit den Fingern der linken Hand auf den Tresen trommelte.
Auch wenn sie selbst nicht wusste, was sie erwartete – so hatte sie sich den Besuch auf dem Einwohneramt auf jeden Fall nicht vorgestellt.
Während die Dame ohne Eile die Klaviatur ihres Computers betätigte, fuhr Andrea den Buchstaben nach, die sie auf einen kleinen Zettel gekritzelt hatte. Den Namen kannte sie bereits auswendig. Diesen Namen, den man ihr ein Leben lang verschwiegen hatte. Von Schande und Hass wurde gesprochen. Von Flucht, vom Verlassenwerden. Vom Tod auch, das aber selten. Mit der Zeit hatte sie sich damit abgefunden, dass sie nichts wusste, auch wenn es immer wieder Momente gab, in denen sie andere um ihren Vater beneidete.
Und dann, ohne es zu erwarten, hatte sie auf dem Dachboden eine Kiste gefunden mit verstaubten Erinnerungen. Ausgeblichene Fotos, ein Mann mit Brille und Hut und einem schrägen, aber freundlichen Gesicht. Auf der Rückseite eine Postadresse und ein Name. Die Anschrift war ungültig, aber mit dem Namen konnte man etwas anfangen. Hoffte sie zumindest.
Die Mutter sprach seit jenem Moment kein Wort mehr mit ihr. Als hätte sie einen stummen Schwur gebrochen

– aber, wenn es meinen vater nicht gibt, was soll ich denn ihrer ansicht nach machen? fragte Andrea verunsichert.
– ich kann einen neuen eintrag in der datenbank anlegen, wenn sie das wünschen sollten. einen augenblick bitte!
Mit einen Mal war die ganze Gehässigkeit der Beamtin verflogen. Und als wäre nichts gewesen, tippte rasch einige Informationen in die nötige Datei, nahm die Maus in die Hand und liess den Drucker anspringen.
– Voilà, sagte sie lächelnd und legte die gedruckten Blätter auf den Tisch. Johan Kreutz. Geboren am 15. 3. 1958 in Chur. Wohnhaft in Zürich, Gessnerstrasse 21. Das ist das Formular. Das ganze bräuchte ich in doppelter Ausführung, unterschrieben von Ihnen und ihrer Mutter. Da sie ja auch betroffen ist. Sie haben sieben Tage Bedenkzeit. Ist alles in Ordnung, ist der Eintrag ab nächste Woche rechtskräftig. Einen schönen Tag  noch!
Mit offenem Mund nahm Andrea die Blätter entgegen, die ihr die Beamtin über die Theke schob. Schweigend nahm sie ihre Tasche und verliess Gebäude. Auf der Strasse überkam sie das Gefühl, mehr über ihren Vater herausgefunden zu haben, als ihr lieb war.

Ana Bojanić

Meine Erinnerung ist ein sonderbares, fremdartiges Geschöpf. Scheu und unsicher wie sie ist, lässt sie sich nur schwer festhalten, geschweige denn in starre Worte packen. Wie ein junges Tier entzieht sie sich jeder Berührung und springt davon, sobald jemand innehält, um sie genauer zu betrachten. Wie ein langes flatterndes Band ist die Erinnerung an meine Hüften geknotet. Ich brauche sie nicht festzuhalten, sie ist da, sie gehört zu mir. Klar und deutlich zeigt sich das Band der Erinnerung in meiner Nähe. Doch bereits in einigen Tagen Entfernung beginnen die Konturen sich aufzulösen. Das soeben noch schöne Band franst aus, wird fleckig, wechselt seine Farbe und immer zahlreicher werden die kleinen Löcher, die das Licht durchscheinen lassen. Die Zeit nagt am anderen Ende und. Immer grössere Teile reisst sie aus dem fernen Band heraus, ohne dass irgend jemand etwas dagegen zu tun imstande wäre. Zurück bleiben grosse Löcher, in der Erinnerung, die oft nur noch an einem dünnen Faden hängt. Ich habe Angst, dass sie bald einmal vollständig abreisst.

Die Stücke aber, die ich retten kann, hebe ich sorgfältig auf, pflege sie so gut ich kann und beschreibe sie mit meinen eigenen Worten.

Ich trage die Bilder von damals in meinen Taschen herum. Worte reihen sich zufällig aneinander und trennen sich wieder.

Wie eine purpurne Fläche, die alles bedeckt.

Bisweilen fällt es mir schwer, die Gedanken zu ordnen.

Ich erinnere mich an den Mond. Und die Sterne. Und die dunkelblaue Nacht, die unsere Schatten verschwinden liess.

Wer war alles da? Mirko bestimmt. Und Jana auch. Und sonst? Die Gesichter verschwinden in der Dunkelheit.

Ich spüre die warmen Winde, die von Süden übers Mittelmeer kamen. Die klare Julinacht breitete sich über unser Spiel aus. Wir waren unter uns, ohne Eltern, die einem verboten, auf die Hügel zu steigen und die Schafe zu jagen.

Ich fiel lachend ins Gras und blieb liegen. Der Duft der schlafenden Kräuter stieg in meine Nase und der ausgetrocknete Boden hinterliess eine Staubschicht auf unserer Haut.

Von oben herab betrachteten wir die Lichter unseres Dorfes, die aus der Ferne aussahen, als wären sie Funken eines Lagerfeuers, das sich allmählich zur Ruhe legt.

«Dort ist unser Haus», rief Mirko und wies mit der Hand ins Tal.

«Wo denn?», wollte Jana wissen.

«Da am rechten Rand, dort wo der Bach vorbei fliesst.»

«Du lügst!», rief Jana empört. «Es ist viel zu dunkel, um zu sehen, wo der Bach ist. Alles ist schwarz, nur die Fenster sieht man, und die kannst auch du nicht voneinander unterscheiden!»

«Kann ich wohl!», entgegnete Mirko, der nicht damit gerechnet hatte, dass ihm jemand widersprach. Und schon gar nicht ein Mädchen, das zwei Jahre jünger war als er selbst.

«Ich weiss genau, wo unser Haus steht! Sogar in der Dunkelheit sehe ich noch tausend Mal besser als ihr alle zusammen! Papa sagt immer, ich hätte die Augen eines…»

An dieser Stelle macht er eine Kunstpause, wie er es von den Alten her kannte, wenn sie etwas Wichtiges über das Dorf, die Partei oder die Republik deklamierten. Dann breitete er seine Arme aus und fuhr fort: «eines Gepardes!» Noch eine Pause und Mirko fügte halblaut hinzu: «Stimmt’s, Ana?»

Anstelle der erwarteten, bejahenden Antwort bekam Mirko von mir nur ein schallendes Gelächter zurück. Zu komisch war die Kombination aus pathetischer Sprechpause und deplazierter Geste, die beide viel besser zum Begräbnis eines Parteifunktionärs gepasst hätten als in unser nächtliches Gespräch. Ich hielt mir demonstrativ den Bauch vor Lachen, was meinen Bruder vollends in Rage versetzte.

«Du dumme Kuh!», schrie er und wollte sich auf mich stürzen.

Im selben Moment aber schaltete sich Jana wieder ein, die zwischenzeitlich aus dem Schussfeld geraten war:

«In Jugoslawien gibt es aber gar keine Geparden», meinte sie mit einem herausfordernden Unterton.

Wie ein wild gewordener Stier fuhr Mirko herum und mit einem langgezogenen Gebrüll stürzte er sich auf das freche Nachbarsmädchen. Sein Griff nach ihren langen blonden Haaren löste eine kreischende Sirene aus und Jana begann nun ihrerseits an den Haaren ihres Gegners zu ziehen. Gegenseitig warfen sie einander zu Boden, ohne sich nur einen Augenblick loszulassen. Sie bildeten sogleich ein einziges, riesiges Knäuel aus Armen und Beinen, die ineinander verknotet waren. Und da der Abhang recht steil war, begann der raufende, schreiende, brüllende und schnaufende Mirkojana-Haufen sogleich damit, in Richtung desjenigen Dorfes zu kullern, das als Ausgangspunkt des nächtlichen Zanks schon längst wieder vergessen war.

 

Der Geruch einer Wiese, die Geräusche einer Nacht – es sind die kleinen Dinge, die ich in der Tasche meiner Erinnerung mit mir herumtrage. Lose, unzusammenhängende Bilder.

Um einiges schwieriger wird es aber, will man diese Bilder in einen grösseren Zusammenhang stellen.

 

Es gibt Dinge und Bilder, die man am liebsten aus dem Gedächtnis radieren möchte. Sachen, die im Vergessen besser aufgehoben wären, als in der Erinnerung. Und doch haften diese Bilder fest an unseren Gedanken. Es fällt schwer, sie durch andere, schönere Eindrücke zu verdrängen. Durch den Mond beispielsweise, und die Sterne. Oder durch die dunkelblaue Nacht, die uns einhüllt und unsere Schritte verwischt. Ich vermag nicht mehr zu sagen, wie lange unsere nächtliche Wanderung schon gedauert hatte. Zu viert folgten wir dem schmalen Pfad, welcher sich in Schlangenlinien den bewaldeten Abhang hochzwängte. Papa und Mama trugen je eine Tasche, während Mirko mich an der Hand den Pfad entlang schleifte. Ich war müde, in meinem rechten Schuh brannten Blasen an der Ferse und ich hatte das Gefühl, dass mir durch unser Tempo nächstens die Lungen platzen würden. Aber auf meine Frage nach der nächsten Pause meinte Papa bloss, «bald», oder, «wenn wir da sind».

So verging die Zeit und ich weiss nicht, ob wir Stunden oder Tage unterwegs waren. Auf jeden Fall hatte ich das Gefühl, dass unsere Nachwanderung einen Berg hinaufführte, der nie mehr enden würde.

Auf einmal blieb Papa stehen, zischte und wies uns an, still zu sein. Einen Augenblick standen wir alle regungslos da und lauschten der Dunkelheit. Aus der Ferne ertönte das Gebell eines Hundes, der sich zu nähern schien.

Dann ging plötzlich alles sehr schnell.

Das Hundegebell verdoppelte sich und wurde rasch lauter. In der Ferne blitzten die Lichter von Taschenlampen auf, die in unsere Richtung wiesen. Papa reagierte instinktiv und zerrte uns in ein Gestrüpp neben dem Pfad. Er befahl uns, mucksmäuschenstill zu bleiben und uns nicht von der Stelle zu rühren. Dann kroch er selbst wieder aus dem Unterholz heraus, griff nach einem grösseren Stein und rannte in die entgegengesetzte Richtung in den Wald hinein. Das Gebell der Hunde kam immer näher und vermischte sich mit dem Rascheln der Schritte im Laub und den Rufen der Taschenlampenbesitzer.

Plötzlich löste sich ganz in der Nähe eine Salve und unmittelbar darauf schlugen die Kugeln in der Richtung, in welcher Papa verschwunden war, krachend in den Ästen ein. Mama schrie auf und rief verzweifelt, dass wir unschuldig seien, dass wir nichts getan hätten und dass man uns bitte, bitte, bitte nichts tun solle. Doch ihre Bitterufe gingen gänzlich unter in ihrem eigenen Schluchzen einerseits und dem ohrenbetäubenden Gebell des Hundes andererseits, der nun direkt vor unserem Gebüsch hin und her lief und seine Zähne zeigte. Im Laufschritt folgten dem Hund zwei uniformierte Männer, die uns sogleich mit ihren Taschenlampen blendeten. Und während der erste den Lauf seiner Maschinenpistole auf unsere Gesichter richtete, brüllte der zweite etwas in einer fremden Sprache und deutete uns an, aus dem Versteck zu kommen. Zitternd vor Angst krochen wir hervor und hielten einander gegenseitig fest.

Der Hund bellte, die Soldaten brüllten und kurz darauf kam ein dritter Uniformierter aus dem Wald, begleitet von einem Hund, der eine perfekte Kopie des ersten zu sein schien, sowohl was Grösse als auch Lautstärke betraf. Der Soldat schleppte Papa am Oberarm gepackt neben sich her und warf ihn uns vor die Füsse. Sein Gesicht war blutig und das Knie aufgeschlagen. Mama stürzte zu ihm hin und versuchte, ihm das Blut mit dem Ärmel abzuwischen.

Einer der Soldaten befahl den beiden anderen, die Hunde anzuleinen und stellte sich dann breitbeinig vor uns hin uns sagte:

«Im Namen der Schweizerischen Eidgenossenschaft verhafte ich Sie wegen illegalem Übertritt der Staatsgrenze zwischen Italien und der Schweiz!» So etwas in der Art musste der fremde Offizier gesagt hatte, der sich nun vor uns postierte und in einer unverständlichen Sprache zu uns redete. Schliesslich brach er seine Anweisungen ab und die Soldaten rissen uns hoch. Papa wurden die Arme auf den Rücken gebunden und dann marschierten wir weiter. Weiter auf dem steilen Pfad, hinein in den dichter werdenden Wald.

 

Das Gefühl, wann ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat, lässt sich nur allzuleicht täuschen. Einzig die Kausalität der Ereignisse sagt mir, dass sich die unterschiedlichen Szenen meiner Erinnerung in einer bestimmten, geordneten Reihenfolge abgespielt haben müssen.

 

Ein seltener, dichter Nebel lag über dem Hafen des kleinen Dorfes an der Adria, als wir uns vorsichtig dem Pier näherten. Das an zwei Pfosten angetäute Boot schwankte im Rhythmus der Wellen. Noch nie zuvor hatte ich ein Schiff von derartiger Grösse gesehen und doch überkam mich in jenem Augenblick die Befürchtung, dass bei Weitem nicht alle Menschen darauf Platz finden würden, die sich auf dem morschen Steg drängten. Die Menge bestand hauptsächlich aus Familien mit kleinen Kindern oder jungen Männern zu denen sich vereinzelt ältere Personen gesellten. Die murmelnden Gruppen versammelten sich um einen Mann in schwarzer Uniform, der laut Namen von irgendeiner Liste ausrief. Mir war kalt, meine Knie zitterten unter meinem Wollmantel und ich griff fester nach der schützenden Hand, die Papa mir entgegengestreckt hatte.

Nach einer Weile rief der grimmige Mann unseren Namen und wir zwängten uns durch die wartende Menge aufs Boot. Auf der hinteren linken Seite wurde uns ein Platz zugeteilt, der im Grunde genommen nur aus einer kleinen Holzbank bestand. Papa verstaute unsere beiden Taschen unter der Bank und wir setzten uns hin. Mirko stiess einen Fluch aus und wünschte sich ein wärmendes Polster. Mama ermahnte ihn, still zu sein und Papa hob mich auf seinen Schoss. Die Kälte machte mich taub. Ich verbarg mein Gesicht an seiner Brust und schloss meine Augen, während Papa langsam vor und zurück wankte.

Als ich wieder aufwachte hatten das Meer und die Nacht unser Boot in Dunkelheit gehüllt. Neben mir hatte Mirko seinen Kopf auf Mamas Schulter gelegt. Beide atmeten tief. Das ganze Boot war in einen eigenartigen Schlaf versunken. In der Ferne ratterte der Motor, der gegen die Strömung kämpfte. Ich hob den Kopf und betrachtete die schlafenden Leute. Vereinzelt hörte man jemanden schnarchen und auf der anderen Seite des Decks hustete ein kleines Mädchen. Auf dem Boot roch es nach Umkleidekabine beim Sportunterricht, vermischt mit Luft aus Opas Schafstall im Frühling, bevor die Schafe wieder nach draussen dürfen. Mein Kopf drehte sich und ich verspürte einen schrecklichen Durst, doch ich wagte nicht, Papa um etwas Wasser zu bitten. Dieser stand einige Meter entfernt und unterhielt sich leise mit dem schwarzen Mann. Er zählte das dicke Bündel Geldscheine, das er von Papa erhalten hatte. Dann hob er seinen finsteren Blick und stellte eine unverständliche Frage.

«Mehr haben wir nicht!» erwiderte Papa mit einer Stimme, die ich so von ihm noch nie gehört hatte. Hastig zog er die silberne Uhr aus, die ihm Mamas Eltern zur Hochzeit geschenkt hatten, und reichte sie dem grimmigen Mann. Dieser musterte mit seinem finsteren Blick zuerst die Uhr und anschliessend den vor ihm stehenden Mann. Eine Weile blieb er starr stehen und schien über etwas nachzudenken. Schliesslich fluchte er leise, steckte die Uhr ein und ging zurück zum Steuerhaus. Mit langsamen Schritten kam Papa zu unserer Bank zurück und ich sah, wie er sich eine Träne aus dem Gesicht wischte.

 

Die Sonne kletterte gerade über die nahen Hügel als wir am nächsten Morgen nach draussen geführt wurden. Die Nacht war trotz der Kälte und des unangenehm gelblichen Lichts in diesen kahlen, grauen Betonräumen einigermassen ruhig verlaufen. Ich selbst war geradezu glücklich darüber, nach so langer Zeit endlich wieder einmal in einem richtigen Bett schlafen zu dürfen. Selbst wenn es nur aus unbequemen, quietschenden Metallstangen und kratzenden, grau-roten Decken bestand. Die Luft im Zimmer war feucht und abgestanden. Der im Nebenraum ratternde Ventilator schien wenig bis gar nichts zu bewirken. Um so frischer schien mir daher die klare Morgenluft, welche uns vor dem Bunker erwartete.

Mirko und ich hatten uns längst wieder beruhigt und die wärmende Sonne schien auch Mama wieder fröhlich zu stimmen. Zum ersten Mal seit längerem sah ich sie wieder, wenn auch erschöpft, lächeln. Nur Papa kaute nervös am Nagel seines linken Ringfingers, wie er es immer tat, wenn er vor einem wichtigen Ereignis stand, das er mit Spannung erwartete.

Ein dunkelgrüner, russender VW-Bus schlängelte sich vorsichtig die gewundene Strasse hoch. Als er oben angelangt war, stieg ein junger Offizier in geglätteter Uniform aus. Nacheinander schüttelte er uns die Hand, während er mit warmer, ruhiger Stimme auf Papa einredete. Als er bemerkte, dass Papa ihn nicht verstand, lächelte er grosszügig, vollzog mit seinen Händen eine unmissverständliche Geste und führte uns zum Bus.

In einer rund vierzigminütigen Fahrt gelangten wir über die holperige Strasse hinunter ins Tal und der kleine Bus fuhr schneller, bis wir eine Stadt erreichten, die «Benvenuti a Locarno» hiess, wie Mirko auf einem Schild erkennen konnte. Die Strasse wurde nun wieder schlechter, dafür aber auch langsamer wegen den vielen Fahrzeugen vor und hinter uns. Der junge Offizier hielt vor einem schönen weissen Gebäude, rief einen dort stehenden Polizisten in blauer Uniform zu sich, wechselte mit ihm ein paar Worte und machte uns Zeichen, dass wir aussteigen sollten. Ohne sich um den stotternden Motor zu kümmern, reicht er Papa durchs Fenster hindurch die Hand, winkt uns allen heftig zu, lächelt freundlich und ruft «arrivadetschi», oder etwas in der Art. Dann kurbelt er das Fenster hoch, lässt den Bus brummeln und reiht sich wieder im Verkehr ein.

Ich schaute ihm nach bis die schwarzen Auspuffwolken um eine Ecke bogen und in Richtung der Berge verschwanden, woher wir gekommen waren.

Mama nahm mich und Mirko an den Händen und wir folgten Papa und dem Polizisten ins Gebäude, wo wir in einen kleinen Raum geführt wurden, in welchem eine grosse Stadtkarte und ein Bild von einem See an der Wand hingen. Kurze Zeit später betraten ein gutgekleideter, ein wenig rundlicher Mann und eine schlanke, blonde Frau das Zimmer.

«Guten Tag!» sagte die Frau, während sie uns allen die Hand gab. «Dies ist der Untersuchungsrichter, Herr Casetti und mein Name ist Michaela Varese. Ich bin Ihre Dolmetscherin.» Völlig verblüfft warf ich einen Blick auf Mirko und dann auf diese freundliche junge Frau, die ganz unerwartet aus dem Nichts erschienen war und sich mit uns in unserer Muttersprache unterhalten konnte, als wäre es die einfachste Sache der Welt.

Papa hingegen schien diese Tatsache nicht im Geringsten zu überraschen. Ohne zu zögern ging er auf die Dolmetscherin zu, begann sich zu bedanken, zu entschuldigen, wollte sich über die Behandlung in der Nacht beschweren, und über die Behandlung am Morgen bedanken.

Frau Varese beruhigte ihn und bat ihn und Mama, sich an den Tisch zu setzen. Für Mirko und mich hatte sie zwei Gläser mit rotem Saft auf einem Tablett mitgebracht, welches sie auf ein kleines Tischchen in der Ecke stellte.

«Das ist für euch» sagte sie und wies auf die kleine Holzschachtel und die Bogen weisses Papier, welche dort bereit lagen.

Überrascht und völlig verzaubert von der Freundlichkeit dieser fremden Person, setzten wir uns auf das Sofa vor dem Tischchen. Mit ihrem luftigen weissen Kleid und den goldenen Haaren, in welchen eine dunkle Sonnenbrille steckte, erschien sie mir in diesem Moment wie ein Zauberwesen aus einer anderen Welt.

Die Dolmetscherin ging zurück zu Mama und Papa und setzte sich an den Tisch. Zögernd zog Mirko die hölzerne Schachtel mit der Aufschrift «Caran d’Ache» zu sich und öffnete sie vorsichtig. Der Anblick, welcher sich uns bot, verschlug uns die Sprache. Aufgereiht in perfekter Ordnung zeigten sich 24 nagelneue, wunderschöne Buntstifte in allen Farben des Regenbogens. Noch nie hatte ich eine derart perfekte Ansammlung von Farben gesehen. Zu Hause hatten Buntstifte vor allem einen Zweck, nämlich, gebraucht zu werden. Rot, um Artikel in der Zeitung anzustreichen; Blau, um Angaben in Mamas Rezeptbüchern durchzustreichen und korrekt zu ändern; Braun für den Kalender und diverse andere Farben mit welchen Papa einzelne Wörter oder ganze Abschnitte in seinen Büchern anstrich, um sich besser daran erinnern zu können.

Natürlich durfte mit den Buntstiften auch gemalt werden, was uns jedoch vor einige Probleme stellte. Nicht, dass uns die unterschiedliche Grösse der Stifte oder die winzigen Reste einzelner, häufig verwendeter Farben etwas ausmachte. Nein, das Problem bestand vielmehr in der Tatsache, dass einzelne Farben völlig fehlten, während andere, wie etwa Rot, merkwürdigerweise gleich mehrmals vorhanden waren. Insgeheim war ich überzeugt, dass Mirko für den Verlust der fehlenden Buntstifte verantwortlich war auch wenn er dies selbst immer bestritt, und auch wenn ich mehrmals hörte, wie Papa Mama beschuldigte, die Stifte verlegt zu haben.

Wenn ich dann aber Papa auf unser Problem ansprach und ihn bat, die fehlenden Stifte nachzukaufen, antwortete er jeweils mit einer jener Fragen, die eigentlich keine Fragen waren. Ob wir denn glauben würden, dass er das Geld von den Bäumen pflücken könnte, wie die Äpfel von Mehmedinović? Oder ob wir denn nicht besser auf unsere Spielsachen aufpassen könnten? Dann meinte er noch, dass ich doch statt Grün einfach Rot nehmen solle, das mache jetzt ja wirklich keinen Unterschied.

Da ich wusste, dass Papas Fragen in Wirklichkeit keine Fragen waren und weil ich ebenfalls wusste, dass Papa wusste, dass Buntstifte keine Spielsachen waren, sondern eben Buntstifte, antwortete ich ihm mit einer Gegenfrage: ob er denn, nicht wisse, dass die Gardinen von Herrn Krkić von gegenüber grün wären und nicht rot? Und ob er denn nicht wolle, dass meine Bilder unsere Welt korrekt wiedergeben würden?

In solchen Momenten wurde Papa wütend, da er nicht verstand, dass auch meine Fragen keine Antworten verlangten. Brummelnd sammelte er die Buntstifte zusammen und warf sie in die abgegriffene Pappschachtel, welche er in der Küche im obersten Fach versorgte, bis sich sein Zorn einige Tage später verflogen hatte.

Vorsichtig nahm ich einen dunkelgrünen Stift aus der Schachtel und berührte mit dem Finger die fabrikneue Spitze. Ich hielt den Stift an meine Nase und der milde Geruch von frisch gesägtem Holz stieg in meine Nase. Auch Mirko hatte sich unterdessen von der Echtheit der bunten Auslege überzeugt und begann, einen nächtlichen Wald auf ein Blatt zu zeichnen.

Während wir malten und in der fremden Welt der Farben versanken, unterhielten sich Mama und Papa mit dem dicken Untersuchungsrichter und seiner netten Übersetzerin. Nur vereinzelt gelangten Worte an mein Ohr, die mich für eine Sekunde aufhorchen liessen: Bosnien, Krieg, Flucht, Adria, illegale Flüchtlinge, Asyl, Bekannte, Unterkunft. Ihr Gespräch schien sich in weiter Ferne abzuspielen und berührte meine entstehenden Bilder nur am Rande. Ich weiss nicht mehr, wie lange wir an jenem Tischchen sassen und malten. Erst als mich Frau Varese am Arm berührte, hob ich meinen Kopf und sah, dass der Untersuchungsrichter das Zimmer verlassen hatte. Mama trat an unseren Tisch heran und meinte, dass wir nun gehen müssten.

Im Chor wandten Mirko und ich ein, dass wir lieber noch eine Weile zeichnen möchten. Aber Mama hatte kein Erbarmen, griff nach meinem Arm und zog mich vom Tisch hoch.

Als die Dolmetscherin unseren Streit bemerkte, lachte sie fröhlich und sagte: «Aber das ist doch kein Problem! Ihr könnt das Papier und die Buntstifte ruhig mitnehmen und eure Bilder später fertig machen. Ich schenke sie euch!»

Völlig verblüfft stand ich einen Moment lang regungslos da und starrte abwechselnd auf Mama, Holzschachtel und die nette Übersetzerin.

«Willst du dich wohl artig bedanken!», flüsterte Mama und stupste mich in den Rücken. Ich wurde rot im Gesicht, senkte meinen Kopf und dankte leise für das kostbare Geschenk.

In diesem Augenblick verstand ich, was Papa gemeint hatte, als er davon sprach, dass die Schweiz ein reiches Land sei. Wirklich, ein Land, in welchem selbst eine einfache Dolmetscherin die Möglichkeit hatte, völlig fremden Kindern, die dazu nicht mal ihre Sprache verstanden, eine neue und dazu noch vollständige Schachtel mit wunderschönen Buntstiften zu schenken, ein derartiges Land musste wirklich unvorstellbar reich sein!

belgreb

Soweit ich mich erinnern kann, war ich nur ein einziges Mal in Belgrad.
Das war im Winter. In einem Winter.
Auf den Strassen lag Schnee und Papa fuhr den ganzen Weg lang äusserst vorsichtig. Ein zweiter Mann sass auf dem Beifahrersitz. Ob Mama und Mirko dabei waren, kann ich nicht sagen. Ich lag quer auf der Rückbank und verschlief die Fahrt. Im Kofferraum klimperten Flaschen und die Decke roch nach überreifen Pflaumen.
Als wir ankamen hatte der Schnee wieder angefangen in dicken Flocken zu fallen. Ich stieg aus, schloss die Augen und atmete die warme Luft ein. Mit ausgestreckter Zunge fing ich einige Schneeflocken auf, die nach nichts schmeckten und in meinem Mund zu Wasser wurden. Wir standen auf dem Vorplatz eines grossen grauen Hauses. Ich blickte an den Fassaden hoch und betrachtete das Muster der vereinzelten erleuchteten Fenster. Schläfrige Augen beobachteten uns von allen Seiten und ich kam mir auf einmal sehr einsam vor. Ringsum reihten sich die platten Bauten und vermischten sich mit dem Schneegestöber zu einer übergangslosen, farbleeren Fläche. Der Ort, an dem wir standen, schien sich aufzulösen. Ich war gleichzeitig überall und nirgendwo. An einem unbestimmten Irgendetwas, welches beliebig austauschbar war.
Papa schleppte eine Kiste zum Hauseingang und ich folgte ihm in der Angst, ihn zu verlieren. Wir betraten eine Wohnung, die aussah, als hätte man die Fassade des Hauses nach innen gestülpt. Die Luft war kalt und verraucht und in einer Ecke stand ein Fernseher, in welchem abwechselnd geredet und geschossen wurde. Papa bat darum, die Kiste auszumachen und die drei Männer setzten sich an den Tisch. Es wurde geraucht und geredet und ich kann nicht sagen, ob ich dabei war oder nicht. Papa breitete einige seiner Bilder auf dem Tisch aus und schaute die anderen erwartungsvoll an. Einer der Männer beugte sich lange über die Abzüge. Dann lehnte er sich zurück und schüttelte langsam den Kopf. Papa packte die Fotografien ein und wir gingen.
Ich war nur ein einziges Mal in Zagreb.

im weg, stehend

die türen öffnen sich und hunderte beine strömen hinaus auf den bahnsteig. der junge mann aus dem abteil wankt, fällt hin und kotzt seinen magen leer. angeekelte blicke prasseln auf ihn und das verflüssigte morgenessen herab. kleine mädchen kreischen, eine alte dame wiegt im kopf ihr persönliches mitleid ab. der rest geht vorüber. einige halten sich demonstrativ mund und nase zu. der tag ist gelaufen.
plötzlich ergiessen sich massen auf die enge der halle, die sich nur in der höhe weit und geräumig gibt. woanders müsste man sein, um seine ruhe zu haben. woanders. wannanders, zumindest. aber das kann sich schon längst keiner mehr leisten, in einer zeit, die uneingeschränkte flexibilität verlangt und kein zuspätkommen duldet. unter den füssen gleiten rollende treppen nach oben. nach unten rennen schuhe und an einem imaginierten schnittpunkt treiben die morgendlichen figuren auseinander. niemand kennt sein nebenan. alle sind einander gleich und fliehen hinaus in den tag.
es fällt schwer, sich den bahnhof als ort vorzustellen. als platz an dem irgendetwas bleibt und fassbar ist. der bahnhof ist ein unort in perfektion. hierher kommen menschen um zu gehen. ein kreuzpunkt aller wege, doch ein punkt ist ein punkt und punkte haben bekanntlich keine ausdehnung.
bisweilen stranden hier leute, die die zeit verpasst haben. verloren im nichts warten sie auf die nächstbeste gelegenheit von hier wegzukommen. murmelnde aktenkoffer regen sich auf über staatsbetriebe und verlotterte beamte, die ein schwindendes recht auf existenz verteidigen. doch sie bleiben nicht lang, die maschinen nehmen ihren lauf und brechen das dasein des hier und jetzt auf ein minimum herab.

ich kann mich nicht erinnern, in der halle jemals einen einzigen ton vernommen zu haben. eine sakrale stille begleitet die morgendlichen pendler und hüllt sie ein in ihre gedanken. überdeckt vom gleichgültigen geruch eines anbrechenden tages. nichts sticht heraus, niemand fällt auf.
was bleibt sind stumme bilder. massenweise eindrücke aus einem riesigen fundus an kleinsten details. mein bahnhof ist wie eine unendlich fortgesetzte folge aus polaroidfotografien, die unsortiert in einer pappschachtel landen. tief gleitet die hand hinein und zieht immer wieder neue szenen heraus. unwahrscheinlich, zweimal dieselbe person, ein gleiches ereignis, verwandte gesichter zu finden. und doch liebe ich es, in diesen bildern zu wühlen. ich habe meine lieblinge und hoffe darauf, sie wiederzusehen, ihnen eine geschichte zu entlocken.
ich gebe mir mühe, auch wenn es schwer ist. die menge macht sich selbständig und zieht alle in ihren bann. nur wenige entscheiden sich bewusst dagegen. ich bin einer davon.
wenn ich zeit hätte, würde ich stehenbleiben und die menschen beobachten. heraus aus dem trott, und selber sehen. es zumindest zu versuchen. ich mag die idee, dass es personen geben muss, für welche der bahnhof mehr ist, als ein notwendiges übel auf dem weg zu ihren täglichen beschäftigungen. leute, die sich hier aufhalten, die nicht in wann und wohin denken, sondern in wo und jetzt.
ich nehme einen schritt zur seite und bleibe stehen. sofort rempeln mich anzüge und jacken an, in deren weg kein stehenbleiben eingeplant ist. ich suche mir einen platz, an welchem ich nicht auffalle, niemandem im weg stehe. ein platz, an dem ich sehen kann, ohne gesehen zu werden.
auf der anderen seite der halle steht er. er hat seine festen plätze. morgens und abends befindet er sich hier, wo die hektik am grössten ist. dazwischen hat er einige pausen frei. vermute ich wenigstens. genau kann ich es nicht sagen, ich weiss nur, dass er nicht da ist. er ist meine lieblingsfigur im ganzen bahnhof. vor allem deshalb, weil er konstant ist. ich bewundere seine ausdauer, seine standfestigkeit.
ich bleibe stehen und beobachte ihn. alle seine gesten sind mir bekannt. es sind nicht viele, aber jede steht für eine andere laune. wenn er müde ist, verlagert er sein gewicht auf das  rechte bein, bei anspannung auf das linke. ist er genervt, verfolgt er die passanten mit einem scharfen blick. bei trauer hebt er kaum seinen kopf, bei freude sieht man das an seinen augen. kleine, erschöpfte, aber doch lebendige augen.
ich bleibe stehen und beobachte ihn. unsere blicke treffen sich und ich senke den kopf. wie alle passanten, die auf ihn aufmerksam werden.
er kümmert sich nicht darum, bleibt seiner ruhe treu. in regelmässigen abständen, mit fester stimme, ruft er aus: vanitas! dann einige sekunden pause. obdachlosenzeitung! mit der zeit entwickelt sich ein fester rhytmus, der mich an einen gebetsruf erinnert, was ihm etwas erhabenes verleiht.
ich gehe los, gehe in seine richtung. in meiner manteltasche fühle ich die abgezählten münzen. ich wende sie in meiner hand, mache die faust, will die hand herausziehen. doch ich belasse es dabei.
heute nicht.
wieso gerade heute? was würde ihm das nützen? besser an einem anderen tag. einen moment noch stehe ich still an meinem ort und lasse mich anschliessend treiben. die zeitung erscheint monatlich, denke ich. also macht es keinen unterschied, ob ich sie heute oder morgen kaufe. vermutlich ist es morgen sogar besser. oder an einem anderen tag, an welchem er weniger einkünfte hat als heute. dann gewinnt mein beitrag im verhältnis an wichtigkeit und meine tat macht sinn.
so wird es sein.
diese überlegungen spielen sich in bruchteilen von sekunden ab. im morgendlichen strom bleibt keine zeit für lange reflexionen. wieder stossen mich schultern an und drängen mich zurück in die menge. morgen also. es bleibt dabei.

doch morgen war gestern und heute bin ich nicht weiter. wieder stehe ich an meinem platz und erneut kommen mir zweifel. wäre es nicht besser?, denke ich stumm und gehe meinen gewohnten gang. morgen aber bestimmt!
aber morgen ist heute und jetzt ist es zu spät. ich gehe durch die halle und suche verzweifelt nach einer person, die nicht da ist. in meinem kopf überdecken leere stellen die bilder vom vortag.
da war meine chance und ich habe sie verpasst. die gute tat wird für immer möglichkeit bleiben.
am folgenden tag keimt leise hoffnung auf, als ich seinen platz kreuze, und verliert sich wieder beim anblick der leere. später schwindet die erwartung und was bleibt ist ein gefühl der leere. mich plagen gedanken an meine schuld. wie können die menschen bloss? und weshalb habe ich nicht schon längst?
schliesslich begann auch das schlechteste gewissen zu verschwinden und wollte mich bereits an neuem orientieren. doch plötzlich stand er wieder da. an seinem gewohnten platz, die neuste ausgabe der zeitung in der hand. ungläubig starrte ich auf die stelle, die ich bereits dem vergangenen zuordnen wollte. vanitas! obdachlosenzeitung! drang seine stimme durch zu mir und füllte die schweigende halle.
in alter gewohnheit blieb ich stehen, zählte die münzen in der tasche und beobachtete ihn heimlich. dann gab ich mir einen ruck und ging auf ihn zu.
na, das ist aber eine freude, wo warst du denn die ganze zeit? sagte ich und umarmte ihn grosszügig. er zeigte keine spur von verwunderung, sondern behandelte mich wie einen alten bekannten. na, wo wohl, das kannst du dir ja denken.
eine weile verging, bis sich unser gespräch in eine tiefere richtung entwickelte. er habe, so versuchte er mir zu erklären, vor einigen wochen, zwei um genau zu sein, ein angebot erhalten, das er beim besten willen nicht auszuschlagen vermocht hatte. aus dem nichts sei ein junger fotograf auf ihn aufmerksam geworden, habe ihn zunächst aus der ferne beobachtet und dann schliesslich mit zusammengerafftem mut angesprochen. ob er nicht für eine abschlussarbeit an der kunsthochschule posieren würde. ein wenig geld gäbe es auch.
ich mag kein heimliches beobachten, sagte er, und wollte schon dankend ablehnen, doch irgend etwas an seinen augen faszinierte mich. ich sagte zu, nicht wegen dem geld, sondern wegen seinem eigenartigen blick.
was denn daraus geworden sei, frage ich, als er nach einer pause nicht gleich weiterfuhr. geworden? schaute er mich fragend an. nichts. er hat seine fotos gemacht, stilleben mit penner, versteht sich. das war alles. geld gabs auf einmal auch keines mehr und ich durfte gehen.

eine schöne geschichte, nicht wahr? ein wenig zu schön, muss ich mir selbst gestehen. noch immer drehte ich die abgezählten münzen zwischen meinen fingern. dann gab ich mir einen ruck und ging auf ihn zu.
schweigend nahm er das geld und streckte mir ein exemplar seiner zeitung entgegen. ich nahm sie dankend an und blieb vor ihm stehen. für einen moment herrschte absolute stille. die zeit im bahnhof war stehengeblieben.
eine weile lang suchte ich vergeblich nach einem vorwand, um ein gespräch zu beginnen.
ist es nicht eigenartig? all diese leute, die ihren täglichen nichtigkeiten nachgehen, die ohne rast von da nach dort eilen, ohne sich einen augenblick zeit zu nehmen für einen selbständigen gedanken. niemand kümmert sich um ein wenig selbständigkeit, um seine persönliche freiheit. wie sonderbar muss es sein, tagtäglich in dieser riesigen halle zu stehen und von keinem der vorbeigehenden auch nur ein anflug an aufmerksamkeit zu erhaschen.
ich bin mir nicht sicher, ob ich diese überlegungen nur gedacht, oder wirklich ausgesprochen hatte. auf jeden fall dauerte es einige minuten, bis ich bemerkte, dass der andere zu sprechen begonnen hatte. mehr noch, er schien mir zu antworten.
freiheit, sagte der mann über meinen kopf hinweg. es ist freiheit, die mich antreibt, die menschen, die blinden passanten zu ignorieren und sie mit ansichten zu bedrängen, die sie ignorieren werden.
ich schwieg. in diesem moment konnte ich nicht verstehen, wie jemand sich freiwillig erniedrigt und einen obdachlosen mimt, ohne sich nur einen einzigen augenblick schmutzig und leer zu fühlen, ohne sich den eindrücken bewusst zu sein, die er preisgibt.
später schon. aber damals noch nicht.
etwas verdutzt wartete ich darauf, dass er noch etwas weiteres sagen würde.

wir beide haben mehr gemeinsam, als du denkst. wer sagt denn dass der akt des beobachtens ein privileg der reichen ist. wer andere bespitzelt, offenbart immer auch die eigenen schwachpunkte. eine naive, träumerische vorstellung, mehr als andere wissen zu wollen, ohne beim versuch dazu entdeckt zu werden.
ich beobachte dich seit langem. ich weiss wer du bist.

ein mann rempelte mich an. schlagartig wurde mir bewusst, wo ich mich befand. ich liess die münzen los und nahm die hand aus der tasche. mir war übel. ich fühlte mich allein und der bahnhof wurde enger und enger. ich wollte einfach nur noch weg. hinaus. an die frische luft. bloss weg.

dann war er fort. als ob ihn ein unerwarteter gedanke erfasst hatte, dem er sich nicht entziehen konnte. einige wochen lang war er jeden morgen in einigen metern entfernung stehengeblieben und schaute verlegen herüber. ein leerer blick. die hand zuckt in der manteltasche.
was er von mir gewollt hatte, kann ich nicht sagen. aber dass er etwas wollte, ist klar. ich sehe den menschen ihre gefühle an. sie tragen sie auf dem gesicht, wie brillen. im alltäglichen schwall picke ich mir diejenigen heraus, die mir interessant sind. ich beobachte sie im wissen, dass ich für sie nicht existiere.
dieses wissen entschädigt alles.

sind schnee in julinächten

Dann fängt plötzlich alles an, der Sommer endet und die Wolken nehmen die letzten Augusttage in sich auf, um sie später mit Regenstürmen zu verabschieden. Du stehst da, hältst eine Weile inne und denkst nach. Wie schön ist es doch, in einer Stadt zu weilen, deren Bewohner lesen. Die ganze Hast der Menschenmassen erträgt sich leichter, wenn man sieht, wie sie Buchstaben jagen und dabei ganz still, jede für sich, ihren Gedanken nachhängen. Manchmal kommt es vor, dass ich in der Metro meine Station verpasse, weil ich eines jener alten Mütterchen betrachte, die mit dem festen Griff ihrer weissen Hände ein Buch umfassen. Als hätten sie Angst, es könnte ihnen entgleiten, auf den staubigen Boden des Waggons fallen und die Worte purzelten heraus. Ich stelle mir vor, dass ich dich zum ersten Mal in der Metro gesehen habe. Standst da, am Eingang neben dem Hinweis, anlehnen verboten, dessen eigentlicher Besitzer, die Schiebetür, ob deiner Anmut nichts einzuwenden hatte, ihn dir für einen Moment auszuleihen. Standst da, natürlich, mit Jesenin in deiner Hand. Und liest. Ich lese dich und lerne sehen. Wie eigenartig und wie vertraut zugleich. Später einmal, wollte ich von dir wissen, wo wir uns kennen gelernt haben, will deine Sicht sehen, deine Version der Geschichte, aber du lächelst nur und schweigst und wirst ganz schön dabei. Der Anfang, sagst du, und das Ende einer Beziehung sagen nichts aus über die Zeit, die dazwischen liegt, und doch erinnern wir uns rückblickend stets nur an die äusseren Enden, selbst wenn der Raum dazwischen die ganze Liebe ausmacht. Ich mag wenn du Phrasen drischst. Und mochte es nicht, denn du tatest es immer, wenn du auf eine wichtige Frage nicht antworten wolltest. Und wir hatten unseren ersten heftigen Streit. Weintest ohne Tränen, ich lief davon und wieder zurück. Ich schweige, weil ich es nie anders gelernt habe. Du liegst auf dem Rücken, dein Haar duftet nach Hyänengras. Mit dem Ringfinger fahre ich unter deinen Büstenhalter und will deinen Atem spüren. Du schliesst die Lider, deine Brust hebt sich unter dem Zigarettenrauch. Und lachst, wie nur du es kannst. Frauen, sagst du, vergessen nie einen Mann, der sie zum Lachen gebracht hat, Männer hingegen erinnern sich für alle Zeiten an Frauen, die sie zum Weinen gebracht haben. Im Dom Kino läuft das Lächeln einer Sommernacht. Wir gehen nicht hin, obwohl wir wollten. Es ist schön zu wissen, dass man die Möglichkeit hätte. Genauso wie es nichts Traurigeres gibt, als wenn dir die Möglichkeit verwehrt ist, etwas zu tun, selbst wenn du überhaupt keine Lust verspürst dazu. Mein Aufenthalt hier geht seinem Ende entgegen. Aus zweieinhalb geplanten Wochen wuchs ein Doppelmonat und ein Neumond noch dazu. Ein, zwei Stempel hält mein Visum noch aus, dann ist die Seite voll. Eine Sprache zu lernen, Rockkonzerte und Bücher, das alles war geplant. Aber mein Herz hier zu verlieren, hatte ich im voraus nicht im Sinn. Mir ist, ich habe dir zu lange in die Augen geschaut, denn ich vermag mich nicht an ihre Farbe zu erinnern. Du fragst mich schauend an, und ich möchte antworten auf die Frage, die du gar nie gestellt hast. Am Abend vor meiner Abreise stehen wir mit den anderen auf dem Boulevard. Du hältst deine Hand als ob es meine wäre, dein Haar flamingorot vom Wein. Und sagst beiläufig, wie immer wenn dir etwas wichtig ist, sobald die erste Leidenschaft verfliegt, wird sich zeigen, ob Zuneigung sich in etwas Dauerhaftes wandelt. Der Morgen bricht an und die Menschen machen sich auf zur Arbeit, jeder für sich und doch irgendwie alle gemeinsam. Ich bringe meinen Sitz in eine aufrechte Position und plötzlich weiss ich, dass du vieles von dem, was du gesagt, nicht so gemeint. Und ob das was übrig bleibt, noch reicht, vermag ich damals noch nicht denken.

mauern statt

wer immer eine neue stadt mit seiner anwesenheit ehrt, plätschert üblicherweise wie zufällig durch die öffnung in den mauern hinein, die schon lange nicht mehr sind und auch nicht mehr sein werden, weil stadtmauern im laufe der zeit obsolet erklärt wurden. wie zufällig, oder besser, wie einer von ihnen, von innen sozusagen, steigst du inmitten der menschen aus dem bus. anfangs zögerst du, bleibst auf deinem hintern sitzen, schaust dich um, um ja nicht der erste zu sein, um sich nicht zu outen als ein fremder, der an der falschen haltestelle aussteigt, viel zu früh, früh am morgen, zwei oder drei haltestellen vor der endstation, da, wo die menschen nur einsteigen, so bald am morgen, und aussteigen würde sich niemand erbosten, weil es ja auffällt und man will schliesslich nicht auffallen. schon gar nicht als fremder. du schaust dich um, ergreifst das erste stückchen mut aus der luft, zerrst den mantel vom haken und der hut liegt noch auf der ablage oben an der decke. streichst eine falte aus dem filz, die da gar nicht war, setzt den hut auf und erhebst dich schliesslich, wie alle anderen auch. nicht zu früh und nicht zu spät. wie alle eben. tastest dich von sitz zu sitz, berührst das abgewetzte leder mit ringfingerspitzen. der handlauf am ausgang ist kalt, wie der morgen draussen. und steigst aus. bist da. und gibst dich sogleich zu erkennen, weil du stehenbleibst im strom der aussteigenden, die weitergehen ihres wegs, der wie jeden tag derselbe ist. sekunden vergehen, einund, zweiund, achtundachtzig. die luft ist kühl am ersten morgen in der neuen stadt. und alles ist irgendwie anders als vertraut. die strassen heissen hier rue oder street. calle oder ulica. was dasselbe ist, denn nummern besitzen sie noch keine und auch den namen dieser deiner stadt musst du erst noch verinnerlichen. taufen musst du die stadt, so dass sie deine wird und nur dir alleine gehört. bis man dir den fremden nur noch aus der entfernung ansieht und du endlich zeit hast für dich selbst und für das was zählt. und du sagst: nein, willst auf einen gullideckel stehen, und den leuten zurufen, nein, ne-in, so geht es nicht. so war es nicht. zumindest nicht bei mir. und du schliesst deine augen. rewind. die zeit dreht sich rückwärts, wie es eigentlich sein sollte. du stehst wieder am anfang, bist gerade erst aufgewacht, im zug, im nachtexpress. draussen schneit der april und die nacht perlt an den runden fensterscheiben ab. verschlafene gesichter blicken dich nicht an. und du sie nicht, weil es sich so gehört. dabei brennst du innerlich, möchtest in ihren köpfen lesen, wissen was in ihnen vorgeht, erfahren woher wohin weshalb sie fahren. möchtest einer von ihnen sein, doch da ist es schon zu spät. die bahn rattert über die seine auf die gare d’orsay zu und du klebst am fenster wie ein kind. ein schwarm tauben entpuppt sich als schwäne. oder umgekehrt. die stadt gibt sich zu erkennen an ihrem geruch, der so eigenartig vertraut ist. es riecht nach zu hause. gummi von angesengten rädern liegt in der luft. dazu petroleum und noch irgendetwas anderes, elektrisches, das du bis heute nicht zuzuordnen vermagst. rundherum stehen die leute auf. du bleibst sitzen, bis du alleine im waggon zurückbleibst. eine schaffnerin im roten kleid lächelt dir nicht zu und du erhebst dich. glättest eine falte aus dem mantel setzt einen fremden hut auf und fühlst beim vorbeigehen am leder der sitze. die klinke am ausstieg ist warm. der mond scheint durch das glasdach der halle und streunende hunde sonnen sich im morgenlicht. die stadt umgibt dich, als wärst du noch gar nicht da, oder besser, schon längst wieder weg. es ist, als ob man sich durch den hinterhof schlängelt, als wäre man unerwünscht auf dem letzten bahnsteig angekommen. dabei empfängt man züge aus der ferne immer ganz weit vorne. vorne auf dem bahnsteig der paraden und prozessionen, wo prinzessinnen aus anachronistischen gesellschaften sich zu hause fühlen. und plötzlich spürst du: nein, das ist es nicht. zu gross, ach viel zu gross. für mich, für uns, für solche wie dich. schliesst die augen um zu sehen, gehst zwei schritte zurück und sitzt an deinem platz. am fenster hoch über der welt und siehst hinaus. hinunter. ja, so müsste es sein, müsste es gewesen sein. werden. die luft ist klar und ein reines morgenrot spiegelt sich im glas. die fahrtbegleiter beginnen ihre routine. leise surrt der motor im heck, wie eine katze, die sich sonnt im tau. du reckst den kopf erhaben und schaust dich um. die kabine ist halbleer, zu kostbar ist das reisen im luftschiff, so dass es sich nur wenige leisten gönnen. engelhände halten dich und das um dich herum in ihrem griff. und draussen, ja, da wächst die welt vor deinen augen, die zuvor ganz klein und zerbrechlich. und schräg von dir reckt sich ein gentleman im rock und grüsst den kapitän des schiffs und parliert gesittet über diese und ach jene erfindung des herrn zeppelin. man müsste es flugzeug nennen, weil es fliegt und von alten träumen zeugt, die alle menschen teilen, welche die vögel um ihre befederten gliedmassen beneiden. wie wahr und doch wie unendlich weit daneben. wenn einem worte fehlen, ist man gehalten zu schweigen. ein sanfter ruck, du richtest deinen blick auf das mädchen im saal. schal und krauses haar, knöpft wollemantel zu und erhebt sich, wie im raum die andern auch. und plötzlich liegt diese stimmung in der luft, die du so magst und so misst bei dir zu hause. stehst auf, nickst dem offizier zu, mit der hand am hut zum gruss. die messingtreppe klingt hohl, ein, drei, fünf stufen bis zum champ de mars. wie eigenartig. niemand da, der dich erwartet. was zu erwarten war. und doch hätte es sein können. auf einmal fühlst du dass die stadt sich von dir abwendet. fühlt sich bedrückt, beleidigt, weil du ihr die ehre nicht zollst, die ihr gebührt. du stehst auf dem offenen feld. alleine, und siehst am hosenrock hinab. ärmlich bist du, voller flicken. der stab in deiner linken wie gegossen. das bündel auf dem rücken auch. zu fuss gehst du die letzten siebenhundervierunddreissig meter bis zur stadt. nicht weil es passt, oder weil du möchtest. sondern weil du gar nicht anders kannst.

sieben jahre

sieben lange jahre
stand in der vitrine
eine vase aus kristall
wunderschön und makellos
wie es keine zweite gibt
dann wurde ich
des anblicks überdrüssig
und beschloss
sie zu veräussern
dabei hätte es gereicht
sie abzustauben und
in ein neues licht
zu rücken
heute wünsche ich
sie mir zurück

augen

sag wo hast du
diese augen her
blond und lang
und unsichtbar
sprichst wörter
aus die ich
zu denken nicht
gewagt
schliesst die
lider weit
und verbirgst
dein sein dahinter