Archiv der Kategorie: lyrik

sieben jahre

sieben lange jahre
stand in der vitrine
eine vase aus kristall
wunderschön und makellos
wie es keine zweite gibt
dann wurde ich
des anblicks überdrüssig
und beschloss
sie zu veräussern
dabei hätte es gereicht
sie abzustauben und
in ein neues licht
zu rücken
heute wünsche ich
sie mir zurück

augen

sag wo hast du
diese augen her
blond und lang
und unsichtbar
sprichst wörter
aus die ich
zu denken nicht
gewagt
schliesst die
lider weit
und verbirgst
dein sein dahinter

am gletscherrand

stehst nackt
am gletscherrand
und jungfrauenhände
massieren deine brüste
fasst dir zwischen
die beine bis du
blutest
und ringsherum
warten ichs in paaren
um von dir
ein bild zu
malen

flügelwarm

flügelwarm erstarrt
die zeit zu
neuem leben
atmest bücherstaub
verlängerst dein
leben um ein paar zeilen
und wartest
noch ein wenig
länger auf die liebe

wintermorgen

den menschen tut der wintermorgen gut
sie atmen fensterblumen ein und aus
und schreiben einander komplimente
hinter die ohren
litfasssäulenbewohner kommen mit mühe
über die runden
ein zinnsoldat verurteilt seinen obersten
zum tod und schmilzt ihn ein
wie heisses blei das durch die
venen der obdachlosen rinnt
für einen augenblick steht alles
still gedenkt der zeit in der
oberen hälfte im glas
und dann gehen alle wieder
ihren weg
als wäre nichts gewesen

notengänger

notengänger notengänger
dreh dich wirble rund
eine viola ruht geschändet
im staub an der wand
du spannst eine handvoll
saiten im gras und der
wind streicht darüber
hinweg mit unsichtbarem bogen
irgendwo in der ferne
erzittert deine melodie
zum ersten und allerletzten mal
dein instrument notengänger
ist am publikum zerbrochen
die kinder unwissend tragen
splitter als trophäen auseinander
sie schnitzen sich waffen daraus
und verkaufen diese für geld
notengänger notengänger
erhebe dein haupt und dich selbst
und verwische bevor du
gehst deine spuren im staub

liebesbeweis

wenn es für die liebe einen beleg gäbe
die menschen bewahrten ihn auf
um dann später den kaufbetrag
wieder zurückzufordern
wie tassen im schrank
katzenmilchzähne
zerschlagenes geschirr
oder ungelebte träume
wir lieben auf dieses und jenes
mit den fingern zu zeigen
und behaupten das gehörte dann
mir und gehört mir noch immer
doch die schönste pendeluhr geht
falsch wenn ihm der grosse zeiger
und ihr der kleine gehört
aber wenn es für die liebe
einen beleg gäbe
ich bewahrte ihn auf um dann
und wann daran zu denken
dass du und ich einmal
einander gehörten

türen in rio

die uhren wechseln auf 7,62
morgen, rot, ergiesst sich über die gassen
wenn der mann mit der sense
sich zur ruhe legt
ist es am schönsten zu sterben
vergeblich sucht man hier
den schlüssel zum paradies
denn die türen in rio kennen
keine schlösser
wehe dem der es wagt
den fuss auf die schwelle
ein sturm bricht los aus
schneeflocken weiss wie sand
dies ist die stadt in der
engel geboren werden wollen

buchspitzen

manchmal wenn ich ein buch
aufschlage überkommt mich eine
unbestimmte angst vor gewissen
dingen und gedanken die ein
anderer schon vor mir gehabt
haben könnte
ich fürchte mich davor danach
mehr zu wissen als zuvor
als andere es tun
und vor allem
als ich mir selbst je zugetraut
hätte
manchmal wenn ich ein buch
aufschlage ängstigt mich der gedanke
mich beim umblättern mit der
seite in den kleinen finger zu
schneiden
wohl deshalb fasse ich bücher
aus prinzip
nur mit samthandschuhen an

umweg

wenn schon
dann nicht die
welche am nächsten liegt
auch wenn das
vielleicht
einen umweg
bedeutet